Es gibt Tage, da hagelt es im Studio scheinbar grundlos Absagen. Meine letzte Lektion um 18:30 h heute Abend ereilte dieses Schicksal. Plötzlich war die ausgebuchte Lektion mit Warteliste auf 5 Teilnehmerinnen geschrumpft. Zwei kamen auch noch zu spät. Es soll ja Menschen geben, die auf solches demotiviert reagieren. In mir regt sich sofort “Jetzt erst recht”. Ich kreierte aus dem Stegreif eine “Yin-Yang-Lektion”: …
Eine Sequenz mit dem stärksten Theraband, eine Sequenz mit Ballon. Ungefähr alle 10 Minuten abwechselnd. Sanftes Atmen, Schwingen, Pulsieren. Beinharte Spannung mit dem Theraband. Zarte Rotationen mit Diagonalatmung. Turbodehnung mit Band für den Flachbauch. Es dauerte nicht lange, stöhnten die Frauen, “die Yin-Übungen sind ja viel anstrengender als die Yang-Sequenzen”.
“So ist das doch mit unserer Weiblichkeit, sieht leicht aus und ist ganz schön anstrengend.”Gelächter.
Ich ziehe hier an einem Kronenpunkt, entspanne dort eine Schulter, bringe da zwei Füsse in ein sauberes V, dehne Bauchmuskeln, entspanne Rückenpanzer, ziehe Becken weg von den Oberschenkeln, verlängere Beine, richte Brustkörbe aus, bringe Köpfe zum Schweben und denke manchmal: Das sieht so einfach und leicht aus und verlangt von den Teilnehmer/innen alles. Als ich mit dieser Körperarbeit anfing, hörte ich oft abschätzige Kommentare, “du mit deinem Turnen für Seniorinnen”, so in diese Richtung. Heute sind diese Vorurteile verstummt. “Soll ja gut sein, dein Haltungsturnen, aber anstrengend.” Stimmt. Anstrengend und lohnend. Wer dranbleibt, stoppt das Rad der Zeit.
Am Schluss der Lektion strahlten die Augen, es glühten die Gesichter, “wie ein Bad in Champagner”, war ein Kommentar in der Garderobe.“Du bist so fit”, sagte Susanne zu mir, “wie oft trainierst du eigentlich? Jeden Tag?”“Jeden Tag 24 Stunden.”“Nein, im Ernst. Wie wird man so beweglich und kraftvoll wie du?”“Im Ernst: 24 Stunden am Tag.”Gezieltes Training gibt’s am Mittwochabend in meiner Motionklasse, daneben mache ich einmal pro Woche 20 Minuten Kraft mit Theraband und Hanteln, einmal 20 Minuten Beweglichkeit, mit Pyramide und allen Arten von Spagat. Für Herz und Kreislauf laufen im Wald oder Rad fahren, im Moment leider zu wenig oft. Wenn die Zeit für gar nichts reicht, steige ich auf die Vibrationsplatte und leiste mir ein Intensivtraining mit Flexibars auf Platte. Köstlich.
Und dazwischen trainiere ich. Im Alltag. Bewusstsein, Bewusstheit, Achtsamkeit, Selbstwahrnehmung. Sitze aufrecht auf dem Bürostuhl, Beine und Arme ausgerichtet, alle Bewegungen dreidimensional. Versuche! immer aus dem Levator Ani vom Stuhl aufzustehen, versuche!! unentwegt entspannt-entspannt aufgespannt zu sein, versuche!!! immer in der Fliehkraft zu gehen, vom Boden weg, vom Boden weg. (Und höre mich zwischendurch plötzlich so hart auf der Ferse landen, dass es eine Art hat). Das meine ich mit 24-Stunden-Training. Inzwischen hat sich das Bewusstsein längst auf das Nachtleben ausgedehnt, mein Körper weckt mich, wenn ihm die Position nicht passt, in die ich ihn verdreht habe.
Wer fünfmal pro Woche trainiert und sich dann gleich wieder in Stöckelschuhe zwängt, die Beine überschlägt, die Schultern hochzieht, den Kopf vorreckt, das Becken verschiebt, die Knie durchdrückt, krumm sitzt und ohne Aufspannung geht, hat weniger Erfolg als jemand, der nur ein- oder zwei Stunden gezieltes CANTIENICA®-Training macht und das Gelernte, Trainierte bewusst und achtsam in den Alltag einbaut. Muskeln sind Arbeitstiere. Je mehr wir sie fordern, umso mehr tun sie für uns.
Ach, hätte ich das alles bloss früher entdeckt, 20 Jahre früher …
Ich kann den Stossseufzer auch umdrehen: Ach, ist das schön, dass ein Spätzünder wie mein Körper so kraftvoll und so beweglich sein kann. Die Natur ist wunderbar.
Darf ich aufzählen, was ich diesem bisschen Disziplin noch verdanke? Ich schlafe wie ein Murmeltier. Nie mehr kalte Hände oder kalte Füsse. Nie mehr Rückenschmerzen. Glückliche Füsse und lachende Schultern. Null Anzeichen von Beschwerden im Klimakterium. Null.
Weniger Cellulite als mit 30, kaum Falten. Es geht mir so gut, dass ich mich fast schäme, wenn es mir mal nicht so gut geht … Doch, das kommt vor. Wann und warum erzähle ich Ihnen ein andermal.
In diesem Sinne: Lassen Sie es sich gut gehen.
Ihre Benita Cantieni