Der neue Weg in der Prävention

Das Interview führt Diplom-Journalistin Angelika Volk.

Der neue Weg in der Prävention: Gesundheit schützen, statt Krankheit verhindern. Was mit herkömmlicher Prävention falsch läuft und wer davon profitiert.

Benita Cantieni gibt der Prävention einen neuen Sinn. Ihr geht es darum, Gesundheit zu schützen statt – wie es gemeinhin versucht wird – Krankheit zu verhindern. Gibt es da einen Unterschied? „Es ist ein völlig anderer Denkansatz“, sagt die Körpertrainerin. „Prävention im landläufigen Sinne richtet den Blick auf Krankheit und Schmerzen. Prävention wie ich sie verstehe, richtet sich auf Wohlbefinden, die Freude an einem kräftigen Körper, seine Leistungsfähigkeit und Beweglichkeit. So verstanden kann Prävention sogar sexy sein.“

Krankheiten vorbeugen oder Gesundheit schützen – wo liegt der Unterschied, Benita Cantieni? Was ist Prävention?

Es gibt unendlich viele Definitionen von Prävention. Da sind die logischen Ansätze, bei denen es z.B. um Sicherheit am Arbeitsplatz oder um Safer Sex geht. Im Kern ist aber immer die Verhinderung von Krankheiten gemeint. Ich verfechte eine radikal andere Position. Ich will mit Prävention Gesundheit erhalten.

Es geht also um die Einstellung dazu. Beginnt Prävention in die eine oder die andere Richtung im Kopf?

Genau! Es ist auf Dauer nicht motivierend, etwas verhindern zu wollen. Den Blick fest auf die Krankheit gerichtet, ziehen wir gegen unsere Beschwerden in den Kampf – das klingt schon sauertöpfisch und negativ. Da ist es doch sehr viel fröhlicher, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Sich zu sagen: Ich will leistungsfähig, lebensfroh, unternehmungslustig, reaktionsschnell bleiben oder werden.

Prävention heißt für mich, meine Gesundheit zu schützen, auszubauen, zu erhalten. Ich will fit sein, um meinen Alltag zu meistern, um mich wohlzufühlen. Prävention so verstanden, stärkt das Selbstvertrauen und erfasst die ganze Persönlichkeit. Wer gesund ist und etwas dafür tun will, dass es so bleibt, hat vom ersten Augenblick an so viel Nutzen, Spaß und Freude, dass er automatisch motiviert ist.

Mir gefällt daher der Ausdruck Provention besser als Prävention. Er wird vom Risikomanagement der Rückversicherungen benutzt. Ich finde, dass er auch sehr gut bezeichnet, was ich meine:  Provention will nicht Krankheit stoppen, sie will Gesundheit steigern. Mehr Kraft. Mehr Beweglichkeit. Mehr Bewegungslust. Mehr Freiheit. Mehr Spontaneität. Mehr Zuversicht. Mehr Selbstwahrnehmung. Mehr Autonomie. Der Körper ist unser bester Freund. Wer ihn kennt, der spürt, was er braucht und gibt ihm genau das.

Unter Prävention Verhinderung von Krankheit zu verstehen, greift nach meinem Verständnis viel zu kurz.

Kann es denn wirklich so falsch sein, nicht krank werden zu wollen? Ist das nicht zumindest ein Anfang?

Das ist meiner Ansicht nach so, als würden sie zum Beispiel eine Jacke schief knöpfen. Geht der erste Knopf ins falsche Knopfloch, kommen sie unten unweigerlich auch schief an. Dieser Anfang, dieser Blick auf die Verhinderung von Krankheit,  führt im Grunde immer weiter weg von dem, was wirklich gut für den Menschen ist. Das landläufige Verständnis von Prävention betrachtet einzelne Körperteile, die gekräftigt werden sollen oder auch Krankheiten, denen vorgebeugt werden soll. Es ist sozusagen eine mechanistische Betrachtungsweise.

Was ich meine, ist im Grunde eine Lebenseinstellung, die ein bestimmtes Verhalten auslöst – und zwar nicht nur für einen kurzen Zeitraum, sondern für das ganze weitere Leben.

Krankheit vermeiden ist auch mental eine ganz andere Sache als Gesundheit erhalten, das fühlt sich doch auch ganz anders an. Hurra, ich bin gesund und kann dafür sorgen, dass das so bleibt.

Die meisten von uns „erwerben“ im Laufe ihres Lebens Krankheiten und Beschwerden.

Die Beschwerden, die wir durch Fehlhaltungen und Bewegungsmangel erwerben, sind mein Thema. Wir erwerben vieles durch Verhaltensweisen. Die Folgen betrachten wir dann als unausweichlich: „Damit muss ich mich abfinden“. Das muss ich aber nicht!

Ich kann etwas für meinen Körper, für meine Gesundheit tun. Ich bin dem Alter mit seinen Beschwerden nicht ausgeliefert. Ich habe die Möglichkeit, etwas für meinen Rücken, meine Hüften, Beine und Arme zu tun. Langes, falsches Sitzen am Computer, im Auto, abends vor dem Fernseher, zu hastiges, zu fettes Essen – das sind keine positiven Aktionen und Gewohnheiten.  Jeder wird selbst spüren, wie wohl es tut, wenn sein Körper gut und ohne Beschwerden funktioniert. Mit aufgespanntem Körper, mit gesundem Rücken, durch die Welt zu gehen, ist äußerst angenehm – und sieht auch noch sehr gut aus. Warum, um Himmels Willen, tun wir dann nichts dafür? Gleich heute?

Was heißt nun „Provention“ konkret?

Für mich bedeutet das Wort: Ich tue jetzt etwas für mich und fühle mich damit wohl. Ich esse jetzt vernünftig. Ich bewege mich jetzt gut. Ich schlafe jetzt gut. Dieses Jetzt verlängert sich von selbst in die nächsten Momente, Tage, Monate, Jahre. Es schiebt – und das weiß ich aus eigener Erfahrung –  alles weit, weit weg, was uns Beschwerden macht und auch dazu führt, dass wir uns alt fühlen, weil Verschleiß unseren Bewegungsapparat hemmt. Unser Körper will Harmonie, will in seine ureigenste Balance kommen. Wir belohnen uns selbst, wenn wir lernen, auf ihn zu hören.

Es geht also um unsere ganz persönliche Entscheidung. Dabei versucht doch die Politik und versuchen auch die Krankenkassen immer wieder, uns mit Präventionsprogrammen und Präventionsgesetzen zu beglücken. Auch Ärzte sind Präventionsbefürworter. Nicht nötig, falscher Ansatz?

Prävention gehört in die Köpfe der Menschen, nicht in die Programme der Politiker und auch nicht in die Hände der Ärzte. Die Politik hat, wenn sie Prävention fordert,  im besten Falle ideologische Gründe. Wahrscheinlicher sind wirtschaftliche Absichten – ebenso wie die Medizin nach meiner Erfahrung vor allem wirtschaftliche Gründe hat. Schließlich müssen kranke Kassen saniert und Krankenhäuser, High-Tech-Geräte und Operationsabteilungen in Schuss gehalten werden. Natürlich will auch die Pharmaindustrie die Krankheit, denn kranke Menschen schlucken und zahlen alles. Und Ärzte wählen ihren Beruf, weil sie kranke Menschen behandeln wollen. Es gibt nichts Uninteressanteres für einen Arzt, als einen gesunden Menschen.

Zumindest denkt man doch, Gesundheit sollte das Ziel jeder Behandlung sein…

Das will ich den Ärzten auch gar nicht absprechen. Es geht mir nicht um Medizinerschelte. Ich fing mein Leben krank an. Schon als Kind hatte ich chronische Nierenprobleme, schweres Bronchialasthma, viele Allergien, eine chronische Darmerkrankung. Ohne moderne Medizin wäre ich nicht 40 geworden.  Ich bin dankbar, dass es diese moderne Medizin gibt.

Die regelmäßigen Untersuchungen beim Frauenarzt und beim Proktologen sind Vorsorge, Prävention durchaus im derzeit definierten Sinn. Hier unterstützt mich die Krankenkasse und ich bezahlte dafür Beiträge.

…die durch Prävention stabil gehalten werden sollen. So ist ja die offizielle These.

An solchen Leistungen sind die Gesundheitskosten ganz sicher nicht explodiert. Wenn das alles wäre, hätten wir es ja mit einem zumindest theoretisch sinnvollen und finanzierbaren System zu tun. Dass es nicht so ist, hat sicher viele Gründe. Ein Grund ist u.a., dass Leistungen als Prävention angeboten werden, die viel Geld kosten und den betroffenen Menschen oft nicht nützen, sondern ihnen sogar schaden.

Prävention als Kostentreiber?

In bestimmten Fällen sicher. In meinem beruflichen Alltag höre ich haarsträubende Geschichten von Menschen, die weder kurz- noch langfristig damit gesünder wurden. Einer Frau wurde geraten, sich „präventiv“ die gesunde Gebärmutter samt Eierstöcken entfernen zu lassen. Ein Mann ließ sich „präventiv“ ein künstliches Hüftgelenk einsetzen. Ich selbst – ja, auch ich war nicht gefeit davor – ließ mir vor Jahren „präventiv“ die Venen strippen, um im Alter keine Krampfadern zu bekommen. Der Effekt: ich hatte danach sichtbare Adern, die vorher nicht zu sehen waren. Prävention? Ja – für das Bankkonto des Arztes.

Wäre ich allen Empfehlungen der Ärzte gefolgt, hätte ich heute ein künstliches Hüftgelenk, ein künstliches Kiefergelenk, eine versteifte Lendenwirbelsäule, Nägel in den Kreuzbeingelenken und säße wahrscheinlich im Rollstuhl. Wie Sie sehen, kam es so nicht. Ich bin durch meine Lebensführung alle Krankheiten losgeworden.

Hat das keinen Arzt stutzig gemacht?

Einige würden mich eher im Vatikan als Wunder melden, als den Umstand zu akzeptieren, dass meine proventiven Maßnahmen alle Operationen überflüssig machten.

Vielen Menschen fällt es nicht leicht,  sich von alten Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu verabschieden und Verantwortung für ihren Körper zu übernehmen. Was sagen Sie ihnen?

Es gibt eine einfach Erkenntnis: Wenn ich gesund, beweglich und kräftig sein will, braucht mein Körper eine „artgerechte“ Wartung. Er ist ein Bewegungsinstrument, also beweg‘ ihn. Und beweg‘ ihn bitte so, dass es ihm gut tut. Wer das erlebt, wird nicht mehr zu alten Gewohnheiten zurückkehren wollen.

Leider fühlen sich viele Menschen für ihre Gesundheit nicht zuständig. So, wie sie ihr Auto in die Werkstatt bringen, wenn es irgendwo klappert, bringen sie ihren Körper zum Arzt. Er wird das schon wieder richten. Wenn mir ein Kettenraucher oder einer der vielen sozialisierten Alkoholiker sagt, Gesundheit sei für ihn das höchste Gut, wenn chronische Wurst-Pommes-Esser oder bornierte No-Sports-Churchill-Verehrer mir klagen, was sie alles an Beschwerden erleiden müssen, werde ich grantig. Sie alle verhalten sich pro Krankheit. Sie geben nicht nur die Verantwortung für ihre Gesundheit ab, sondern auch die Freude daran.

Das klingt jetzt ein bisschen moralisierend…

Okay, ich bin gern ein Körpermoralist. Ich kann nicht verstehen, dass sich Menschen in Schmerzen ergeben und die Verantwortung für ihren Körper an Ärzte und Therapeuten übertragen. Für mich ist Prävention/Provention sexy. Ich bringe meinen Körper in die Verfassung, aus der er am meisten Sinnlichkeit, Unternehmenslust, Schaffenskraft schöpft. Alles, was ich unternehme, bringt mir sofort, in diesem Moment, Nutzen. Dafür ist niemand anderer verantwortlich außer mir selbst. Die Prävention, die ich meine, macht Spaß. Sie bringt mir einen vielfachen Return on Investment.

Auch die Krankenversicherungen bieten Prävention an – vor allem in der Hoffnung, mittelfristig ihren eigenen Return on Investment zu erhalten.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Krankenkassen mittelfristig denken und planen. Prävention ist für sie vor allem ein Marketinginstrument. Sie zahlen für viele sinnlose Aktionen und Kurse:  Rückenschulen, die krumm machen, Yogalektionen, die eigentlich eine Schande sind, ungeschütztes, im Schnellkur erlerntes Pilates, bei dem Sie gar nicht wissen, was es bewirkt, weil jeder darunter etwas anderes, zum Teil sogar gesundheitsgefährdenden Unfug, versteht. Yoga und Pilates sind leider keine geschützten Begriffe. Nicht überall, wo Yoga draufsteht, ist Yoga drin.

Irgendeinen Kurs zu absolvieren, hilft niemandem. Joggen an sich ist nicht gesund. Erst, wenn der Bewegungsablauf entsprechend der menschlichen Natur absolviert wird, nützt es und  macht Spaß. Schwimmen an sich ist ebenfalls nicht gesund. Erst die Qualität der Bewegung bringt den gesundheitsfördernden Effekt. Nordic Walking ist serielle Körperverletzung. Gymnastik und Yoga können bei falscher Anleitung mehr schaden, als nützen. Und diese Körperfeindlichkeit in der Bewegungsqualität ist leider die Norm.

Kassen müssten eigentlich Qualitätsprüfer sein. Das sind sie nicht, weil es offenbar gar nicht um die Qualität geht.

Doch auch jeder Versicherte sollte sich sagen: Fördere ich meine Gesundheit, so habe ich den vollen Nutzen. Das ist in meinem ureigensten Interesse. Es liegt daher auch in meiner Verantwortung. Wer dafür sein eigenes Geld nicht ausgeben will, ist in meinen Augen einfach nur dumm. Das ist selbstschädigende „Geiz ist geil“-Mentalität.

Mancher hat das Geld aber einfach nicht…

Eine Pizza, ein Bier in der Woche weniger, das Auto vielleicht 10.000 Kilometer weiter fahren, nicht sofort jedes neu auf den Markt kommende High-Tech-Gerät kaufen – und schon habe ich das Geld für das Abonnement ins Schwimmbad oder Fitnessstudio. Es gibt im Übrigen auch sehr viele kostenlose Bewegungsmöglichkeiten. Und kostengünstige Bücher, DVD, CD, die sagen und zeigen, wie sich gute Bewegung anfühlt, wie sie ‚gemacht’ wird.

Macht nicht die immer größer werdende Zahl älterer Menschen aus dem individuellen Streben nach einem gesunden, langen Leben eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe?

Sie können Prävention nicht vergesellschaften. Sie gehört in die Verantwortung jedes Einzelnen. Ich will möglichst gesund möglichst alt werden. Es ist meine Lebenszeit. Und es ist doch wunderbar und aufregend, diese Möglichkeit überhaupt zu haben!

Dass wir alle heute immer älter werden, wird meist unter dem Aspekt steigender Gesundheitskosten gesehen. Dabei ist das doch eine wunderbare Entwicklung. Vor 100 Jahren betrug die durchschnittliche Lebenserwartung in unseren Breitengraden gerade mal 49 Jahre. Jetzt werden wir doppelt so alt! Und wir müssen begreifen, dass wir die Wahl haben, wie wir dieses Alter erreichen und erleben möchten. Und wenn das die Mehrheit tut, ist das natürlich gut für die Gesellschaft insgesamt. Also lasst uns lustig 100 werden!

Das Schwierige, vermutlich sogar Schwierigste: Wir müssen raus aus den alten Denkmustern.

Zum Beispiel, dass Alter immer mit Krankheit verbunden ist?

Das ist ein sehr fest verankerter Glaubenssatz.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel:

Die gängige Meinung ist: Wir werden im Alter immer kleiner. Verschleiß – da kann man nichts machen.

Man kann. Ich sehe mich hier durchaus in der Rolle einer Aufklärerin. Der Körper schrumpft nicht durch das Altern. Er schrumpft durch unsachgemäßen Gebrauch. Sie werden im Alter klein, weil Sie sich nicht mehr aufspannen wie Kinder. Ziehen Sie die Knochen wieder auseinander, benutzen Sie die Tiefenmuskulatur wieder mit der Bewegungslust und -freude eines Kindes, so kommt auch die in Ihrem Bauplan vorgesehene Größe wieder voll zum Vorschein. Egal, wie alt sie sind. Alterserscheinungen wie Arthrosen, Bandscheibenschäden, Muskelatrophien rühren übrigens von diesem freiwilligen, gesamtgesellschaftlich validierten Schrumpfglaubenssatz her.

Kinder wachsen in der Schwerkraft auf. Der Widerstand der Schwerkraft macht ihre Knochen und Muskeln stark. Dann ist der Mensch erwachsen, und vom gleichen Tag an soll sich diese Wirkung umkehren? Ab diesem Moment soll die Schwerkraft uns zusammendrücken? Das entbehrt jeder Logik.

Also, Leute, ändert in Euren Köpfen die Ansicht über die Schwerkraft! Die Schwerkraft ist nicht unsere Feindin, sie ist eine der besten Freundinnen! Sie ist das Medium, das uns ausmacht. Der menschliche Körper verdankt seine Konstruktion der Schwerkraft. Knochen, Sehnen, Muskeln und der aufrechte Gang wären ohne sie nicht möglich.

Nicht jeder überlässt seine Gesundheit den Ärzten. Fitness-Studios sind voll, Wellnessurlaube und –„oasen“ boomen, in sämtlichen Parks trifft man zahlreiche Jogger. Das Bewusstsein, etwas für die eigene Gesundheit tun zu müssen, scheint doch ziemlich hoch zu sein. Oder sieht das nur so aus?

Ich mache da schon noch einen Unterschied zwischen der passiven Wellness und dem aktiven Tun! Wer sich auf eine Liege legt und massieren lässt, fühlt sich im Moment gut, mit nachhaltiger Gesundheitswahrung hat das nichts zu tun. Ein paar heiße Steine auf dem Buckel fühlen sich gut an. Nachhaltig tun sie nichts für den Bewegungsapparat oder die Gesundheit der Organe.

Wenn ein Jogger weiß, dass es weder auf den Pulsmesser noch auf die stoßgedämpften Schuhe ankommt, sondern einzig und allein darauf, wie er sich bewegt,  tut er sich natürlich etwas Gutes. Der menschliche Körper hat sich sechs Millionen Jahre lang in und für Bewegung konstruiert. Er sitzt erst seit 100 Jahren mehr, als ihm gut tut. Bewegung, gute, körpergerechte Bewegung, ist das Beste, was er für sich und seinen Körper tun kann. Für die Knochen, für die Muskeln, für die Gelenke, für die Organe, für das Rückenmark, für die Hormonproduktion, für den Stoffwechsel und auch für das Gehirn.

Teilt sich die Gesellschaft in Präventions(Gesundheits)muffel und Hyperaktive?

Die Hyperaktiven sind meist jung und ihre Motivation ist fast ausschließlich das Balzverhalten.  Frauen wollen möglichst schlank sein, Männer möglichst potent erscheinen, alle wollen schön sein und auffallen. Dann kommen das Berufsleben, die Karriere, die Familie. Ziel erreicht, aber auch die Freizeit wird knapp. Es kommen die Gelenkschmerzen, die Rückenbeschwerden. Sie reihen sich ein in das Heer derjenigen, die sich in ihr Schicksal ergeben. Sie absolvieren allenfalls das absolute Bewegungsminimum als Alibi um sagen zu können, „ich hab doch alles Menschenmögliche getan, der Rest ist Schicksal“. Die Verwandlung der Hyperaktiven in die Gesundheitsmuffel ist abgeschlossen.

Es gibt aber auch die 50jährigen Marathonläufer…

Hyperaktiv mit 50 – hier ist „Selbstüberwindung“ oft das Motiv. „Ich halte den Schmerz aus, also bin ich“. Bis die Knie und Hüften die Lendenwirbel und Schultern kaputt sind. Irgendwann ist der Schaden am Bewegungsskelett manifest. Freude? Kraft? Gesundheit? Eher das Gegenteil.

Es geht nicht um Quantität, sondern um Qualität. Die wird leider oft vernachlässigt – und das genau ist mein Thema. Die Menschen sollen nicht irgendetwas für ihre Gesundheit tun, sondern das Richtige.

Wie erkenne ich Qualität? Muss ich verschiedene Methoden ausprobieren?

Jedenfalls sollte ich nicht einfach hinnehmen, was mir Arzt oder Therapeut sagen. Der lädierte Mensch fragt ernsthaft und besten Willens: „Was kann ich tun?“ Therapeut oder Arzt sagen: „Gehen Sie schwimmen. Gehen Sie joggen, zum Yoga. Machen Sie irgendwas.“ Kein Wort darüber, wie zu schwimmen ist, wie ich einen guten Yogalehrer finde, wie ich so laufe, dass die Gelenke keinen Schaden nehmen. Der lädierte Mensch tut, was ihm geraten wird. Die Beschwerden werden mehr, nicht weniger. Erst jetzt wird er zum Gesundheitsmuffel. „Bringt ja doch nichts“.

Das wichtigste Kriterium für Qualität ist mein Körper selbst. Was mir gut tut, Freude bringt, womit ich mich stetig besser und stärker fühle, das ist richtig. Ich behaupte: Wird der Körper so behandelt, wie es seiner Natur entspricht, meldet er sein Bewegungsbedürfnis so selbstverständlich, wie er Hunger, Durst, Müdigkeit signalisiert. Also: Gib Dir einen Ruck! Werde aktiv! Just do it! Ohne Verschreibung. Ohne einen Zuschuss der Krankenkasse.

Ich habe als Außenseiterin und Quereinsteigerin eine Methode aufgebaut, die anfangs belächelt wurde und die heute kopiert wird. Ich kann daher nur sagen: Wer will, der sucht. Wer sucht, der findet. Und zwar die Methode, die passt.

Mir fällt auf, dass es hier auch einen gesellschaftlichen Wandel gibt. Die jungen Menschen sind viel weniger autoritätenhörig als beispielsweise meine Generation. Sie glauben nicht mehr einfach alles, was „der Arzt“ sagt. Sie wechseln zu einem anderen, wenn er ihr Misstrauen weckt. Auch mir sagen sie ganz klar: Das gefällt mir. Das gefällt mir nicht. Jeder hat die Möglichkeit, aus verschiedenen Methoden die für ihn passende zu wählen. Feldenkrais, Alexander-Technik, Franklin-Methode, gutes Yoga, Eurythmie, gezielte Entspannungstechniken, Meditations- und Atem-Methoden und viele andere können helfen, den eigenen Körper wahrzunehmen, Muskeln zu unterscheiden, Knochen zu strecken, Aktivität und Entspannung bewusst einzusetzen.

Wie erreiche ich Menschen, die sich für all das, was Prävention ausmacht, nicht interessieren?

Prävention ist ja noch schwer zu beweisen. Es ist schwierig, den Gesunden ohne akute Beschwerden beizubringen, dass Gesundheit, soll sie dauern, Unterhalt braucht. Dass auf Pump lebt, wer sich nicht bewegt. Oft sind es erst die Schmerzen, ist es der Leidensdruck, der Menschen zum Nachdenken bringt und sie dann motiviert, sich nach Hilfe umzusehen. Unter 20 Besuchern in unseren Studios ist dann vielleicht einer beleidigt, wenn er erfährt, dass er für die Gesundung seines Achsenskelettes selber arbeiten muss. Er möchte eine Zauberpille. Die übrigen 19 nehmen das Angebot dankbar an.

Ich habe für die Verbreitung der von mir entwickelten Methode aber auch zur List der Verführung gegriffen. Ich versprach den Menschen einerseits nicht nur Schmerzfreiheit, sondern auch Schönheit und Kraft. Die bekommen sie, wenn sie mitarbeiten.

Sie haben Ihre Methode ursprünglich für sich selbst entwickelt. Was hat sich in Ihrem Leben dadurch verändert?

Ich war ein skoliotischer Bewegungsmuffel, bevor ich meine Methode entwickelte. Ich wollte einfach in Ruhe gelassen werden. Ich ging ein bisschen schwimmen, fuhr ein bisschen Rad, bis die Knochen schmerzten. Dann hörte ich sofort auf, wartete bis der Schmerz wieder verging. Irgendwann verging er aber nicht mehr. Mit meiner Methode habe ich mir den Körper erarbeitet, den ich heute habe und den die Natur für mich vorgesehen hatte. Als ich damit begann, war ich immerhin schon 47 Jahre alt. Jetzt habe ich eine Muskulatur, die zu 100 Prozent kraftvoll und in Bewegungsbereitschaft ist. Der Körper nimmt sich die Freiheit, mir zu sagen, was er braucht. Das ist vor allem viel und regelmäßige Bewegung. Wenn er bewegt werden will, so lässt er sich weder durch Essen, durch Trinken, durch ein schönes Vollbad noch ein gutes Buch bestechen. Nur Bewegung „hilft“.  Folge ich dem „Ruf meiner Muskeln“ nicht, bekomme ich schlechte Laune, schlafe schlecht, esse zu viel, denke nicht gut. Also: Raus in die Natur, Glückshormone produzieren, Fett verbrennen, Sauerstoff tanken, lebendig fühlen.

So unterhalten, belohnt mich der Körper mit allem, was ich mir wünsche – mit Kreativität und Intuition, mit klarem Kopf und ruhig schlagendem Herzen, mit gutem Schlaf und gesundem Appetit. Mit guter Laune und ausreichend Hormonen, schönen Träumen und singenden Zellen beim Einschlafen und Aufwachen…

Erklären Sie bitte zum Schluss noch, was die CANTIENICA®-Methode beinhaltet und was sie bewirkt?

Die CANTIENICA®-Methode versteht sich als Grundlage für jede Art der Bewegung. Wer den eigenen Körper so profund kennenlernt, läuft schwerelos, tanzt schwerelos, geht schwerelos, fährt körpergerecht Ski, schwimmt körpergerecht und schläft auch anders – besser.

Vereinfacht erklärt: Wir „stapeln“ vor jeder Übung zuerst die Knochen ideal über- und aufeinander. Jeder Knochen soll frei stehen, keine Gelenkfläche soll an der anderen reiben. In dieser perfekten Ausrichtung der Knochen werden automatisch alle skeletthaltenden Muskeln aktiv. Und erst jetzt wird gezielt bewegt. Dreidimensional, wie der Körper im Alltag gebraucht wird. Damit sich der Kopf nicht langweilt, erschaffen die CANTIENICA®-Instruktorinnen aus den über 1000 Übungen mit und ohne Hilfsmittel spannende Choreographien, so dass jede CANTIENICA®-Lektion neu, überraschend und herausfordernd wird. Stetige Weiterbildung sichert die Qualität.

Die Methode wird immer umfangreicher, es gibt ein spezielles Beckenbodentraining, ein Rückenprogramm, die perfekte Anleitung für go!, ein Powerprogramm für Fitte, die noch fitter werden wollen und Faceforming, die Anleitung, der Schwerkraft auch mit der Mimikmuskulatur zu trotzen.

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