Wie ich meine Skoliose begradigte

Den Körper von innen formen

Von Benita Cantieni

Am Anfang stand ein Satz von Dr. Christian Larsen, Begründer der Spiraldynamik International. Christian sagte (1993) zu mir: „Was, wenn du die Skoliose nicht hast, sondern machst?“ Der Satz veränderte mein Leben. „Wenn ich die Skoliose selbst machte, so kann ich sie selbst un-machen!“ Ich machte mich in dieser Minute auf den Weg – aus der Skoliose. Ich weiß, das ist eine radikale Betrachtung. Mich überfiel sie wie ein Tiger, weil ich außer Korsett und Operation schon alle Therapien und Methoden ausprobiert hatte. Ich hatte nichts zu verlieren.

Die Diagnose wurde gestellt, als ich 6 Jahre alt war. Es gab damals zwei Möglichkeiten: Gips oder Vernachlässigung. Beides ging einher mit Schonung, „das kannst du nicht, das ist zu gefährlich für dich, lass das“, und so. Damals beneidete ich das Mädchen zwei Klassen über mir für ihr Gipskorsett. Heute bin ich froh um die Vernachlässigung.

Ich wuchs und wurde eitel. Ich bin es noch. Ich versuchte aus Eitelkeit, der Skoliose körperlich entgegenzuhalten, was ich konnte. Und ich versteckte sie gut unter schönen Kleidern. Dazu gehörten auch Stöckelschuhe. Ich fand, dass mein asymmetrischer Gang auf hohen Absätzen viel weniger auffiel.

Anfang 30 war der Cobb-Winkel bei 47°. Die Folgeschäden der Skoliosen folgten Schritt für Schritt. Beckenschiefstand rechts. Hallux valgus links, durch die Gewichtsverlagerungen bei jedem Schritt. Arthrose am rechten Hüftgelenk, Arthrose am rechten Kiefergelenk. Spannungskopfschmerzen durch den Fehlstand des Atlas- und des Kopfgelenkes. Das Asthma wurde chronisch. Die Atemnot kam nach immer kürzeren Anstrengungen. Rücken- und Kopfschmerzen waren meine täglichen Begleiter.

Hüft- und Kiefergelenk sollten durch Prothesen ersetzt werden, ein Teil der Wirbelsäule versteift. Ich war Mitte 30 und hörte mich zum Arzt sagen: „Was soll ich mit künstlichen Gelenken, wenn ich mit den eigenen Knochen nicht zurechtkomme!“, ich verließ die Praxis und ging nie zurück.

Ich versuchte viele Therapien und Bewegungsmethoden aus. Einige halfen, mit dem was ist, so gut es ging zu leben. Doch irgendwo in mir stak die Idee, dass hinter der Skoliose ein gerades Ich sein musste, irgendwie versteckt im Bauplan. Und dann kam viele Jahre und viel Leiden später Christian Larsen und sagte: „Was, wenn du die Skoliose nicht hast, sondern machst!“

Die ersten wertvollen Tipps gab mir Christian Larsen:

  • Das Becken gut ausrichten und über die Sitzbeinhöcker die wichtigste Beckenbodenschicht, den Levator ani, aktivieren.
  • Die Wirbelsäule aufspannen und beweglich halten.
  • Auf die Körperachsen achten.

 

Doch war ich immer noch abhängig davon, dass mir jemand von außen half, von außen Impulse gab. Weil ich nicht wusste, wie ich das, was kurzfristig half, dauerhaft im Körper manifestieren konnte, fiel ich zurück in die Fehlhaltung und die Schmerzen. So beschloss ich eines Tages, alles zu vergessen, was ich gelernt hatte und einfach nur auf meinen Körper zu hören, in ihn hineinzuhorchen und dem zu folgen, was er mir „sagte“. Hier in weltliche Sprache übersetzt, was ich über einige Jahre entdeckte und als biomechanische Prinzipien des menschlichen Körpers verstand – und immer noch weiter entschlüssle:

  • Vertraue der Schwerkraft, sie trägt dich.
  • Richte die Knochen auf, vom Boden weg.
  • Forme die Knochen von innen.
  • Die Bänder, Faszien, Sehnen, Muskeln folgen den Knochen.
  • Ein Hochhaus braucht tragfähige Zwischenstockwerke.
  • Arbeite von innen nach außen.
  • Nutze alle Muskeln gleichmäßig, nutze alle Bänder, Sehnen, Faszien gleichmäßig.
  • Und, die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Der Körper folgt der Vorstellung.

 

Die ersten Monate waren beinhart. Ich begann ein Schmerztagebuch zu führen und lernte so Gutschmerz von Bitte-so-nicht-Schmerz zu unterscheiden. Ich lernte nach und nach die heilenden Schmerzen von den unheilen Schmerzen zu unterscheiden. Die folgenden drei Jahre waren herausfordernd. Nach sieben Jahren war ich gerade und vollkommen schmerzfrei. Ich bin es noch.

Damit habe ich auch den Nachteil meiner Methode erwähnt: Sie verlangt den Menschen einiges an Disziplin und furchtloser Selbstwahrnehmung ab. Sie kann mit den Versprechen auf schnelle Erfolge nicht mithalten. Doch weiß ich von anderen Betroffenen: Korsett und Operation sind auch anstrengend, und oft folgen den vermeintlich schnellen Erfolgen mit den Jahren neue Rückschläge – Folgeschäden eben. Die Arbeit mit Skoliose hat immer „lebenslänglich“. Doch hat nicht jeder Körper „lebenslänglich“?

Mein Weg ging und geht nur aufwärts. Mein Körper ist beweglich, kraftvoll und resilient wie nie – mit 72!

Heute bezeichne ich mich als „begradigte Skoliotikerin“. Solange ich mich gut halte und gut „warte“, mit regelmäßigen Trainings und Achtsamkeit in den Bewegungen im Alltag, so lange bin ich gerade. Würde ich das Training vernachlässigen, so würde mein Körper zurückfallen in die Skoliose.

 

Zwischen diesen beiden Aufnahmen (Thermofotografien) liegen 10 Minuten. Links lass ich mich einfach in der Skoliose hängen. Rechts nutze ich die Schwerkraft, um mich in ihr aufzurichten. © Benita Cantieni/CANTIENICA AG

Ich habe meine Erfahrungen in 27 Büchern und umfangreichen Handbüchern für Ausbildungen dokumentiert. 400 CANTIENICA®-Trainer/innen sind offiziell im neuen CANTIENICA® Körper in Evolution-Lizenzsystem, Tendenz steigend. Die Methode konzentriert sich nicht auf die Therapie von Skoliose, sondern versteht sich als „Anleitung zur Selbstheilung“ für alle Menschen, die selbst aus Fehlhaltung wieder in Guthaltung kommen möchten. Es verschlägt mir manchmal die Sprache, wenn ich sehe und höre, was Menschen durch diese Körperarbeit an Gesundheit erarbeiten.

Hier eine Handvoll Übungen, mit denen Sie herausfinden können, ob CANTIENICA® Körper in Evolution für Sie funktioniert.

FEDERLEICHT SITZEN

An den Rand eines Hockers sitzen. Knie über den Fersen, Füße hüftschmal und in V-Position ausrichten. Unter den Fersen und unter den Großzehengrundgelenken kleine Wolken einrichten. Exakt auf der Mitte der Sitzbeinhöcker ausrichten, Scham- und Steißbein senkrecht und lang denken. Den Brustkorb vom Becken wegheben, den Kronenpunkt zur Decke. Das Kreuzbein tiefer in den Körper einladen und mit allen anderen Wirbeln zum Kronenpunkt hoch ausrichten. Handrücken auf die Oberschenkel, Schulterblätter tief, flach und weit am Rücken entspannen. Mit Großzehengrundgelenk und Fersenmitte die kleinen Wolken ansaugen. Die Sitzbeinhöcker bewegen sich pulsierend zueinander. 10-mal.

Den Oberrand des Beckens als Ellipse vorstellen. In der Vorstellung durch den Damm einatmen. Sie atmen natürlich durch die Nase ein, doch ist Ihre Wahrnehmung am Damm. Den Atem in die Mitte des Beckenoberrands denken und eine diagonale Linie nach hinten links und vorne rechts zeichnen; nach hinten rechts und vorne links. Mit dem nächsten Atemzug die Diagonal nach vorne links und hinten rechts zeichnen; nach vorne rechts und hinten links.

Spielen Sie mit den Diagonalen, Ihr Körper wird Ihnen sagen, was ihm guttut, was mehr Symmetrie in die Beckenhälften bringt.

Einatmen am Damm, den Atem mitten durch den Körper hoch ziehen bis in die Mitte des Zwerchfells. Mit der Wahrnehmung eine Diagonale nach hinten rechts und vorne links zeichnen: nach hinten links und vorne rechts. Umgekehrt: Nach vorne rechts und hinten links, nach vorne links und hinten rechts. Auch hier: Ausprobieren, in den Körper spüren, wahrnehmen, was Symmetrie und Erleichterung bringt. Die Dellen und Erhöhungen am Brustkorb sollen sich spürbar und sichtbar ausgleichen.

Links das knöcherne Becken von oben betrachtet. Die gestrichelten Linien bezeichnen die Dehnungen, die aus der absoluten Beckenmitte diagonal zu den Seiten ziehen. Rechts das Zwerchfell von unten betrachtet. Die Diagonalen dehnen aus der absoluten Mitte zu den Seiten.

RÜCKEN LANG DENKEN

Arme vor der Brust übereinander legen, die Ellbogen sind auf der Höhe der Achselhöhle. Die Oberarmmuskeln zur Achselhöhle entspannen und aus der Achselhöhle ausdrehen. Das Brustbein lang denken.

 Diagonal atmen: vom linken Sitzbeinhöcker zur rechten Oberarmkugel. Vom rechten Sitzbeinhöcker zur linken Oberarmkugel. 10-mal. Bei jedem Atemzug länger werden. Zwischen den Sitzbeinhöckern einatmen und von unten nach oben die Wirbel auseinander dehnen. 5-mal.

Die Längsbänder aktivieren: das Längsband innen an der Wirbelsäule mit dem Längsband an der Bauchseite vermählen und langdenken. Die Längsbänder seitlich der Wirbelsäule dazu nehmen. Alle vier Längsbänder in der Vorstellung zu einem Rohr formen. Diesen Energiezylinder in drei Teile denken: Lendenwirbelsäule, Brustwirbelsäule, Halswirbelsäule. Den mittleren Teil, die Brustwirbelsäule, nach lins drehen, zurück in die Mitte, nach rechts drehen, zurück in die Mitte. 5-mal. 

Armstellung wechseln, 5-mal wiederholen. Falls der Kopf mitdrehen möchte: Fixieren Sie einen Punkt gerade vor Ihnen, so bleibt der Kopf im Lot.

Die Längsbänder helfen der Wirbelsäule, ins Lot zu kommen und im Lot zu bleiben. Links das Längsband an der Innenseite der Wirbelsäule, seitlich an den Querfortsätzen der Wirbelsäule. Rechts das Längsband an der Bauchseite. Die Säule daneben symbolisiert den Längsbandzylinder, den Sie sich vorstellen. Das äußerste Symbolbild soll Ihre Vorstellung wecken für die superbewegliche Brustwirbelsäule.

KRAFT BEUGT VOR

1

Eine Haltungs- und Kraftübung, die sich leicht in den Alltag einbauen lässt: vivatomisch gut aufstehen und hinsetzen. 

Die Arme vor der Brust verschränken. Kinn im rechten Winkel zum Hals. Ellbogen zu den Seiten dehnen, die Muskeln der Oberarme zur Achselhöhle entspannen und ausdrehen. Den Torso gerade nach vorne senken. 

Am rechten Sitzbeinhöcker ein- und an der linken Schulter ausatmen. Gegengleich. Je 3-mal. Die Sitzbeinhöcker noch mehr nach hinten oben dehnen, näher zueinander (zum Damm hin) ziehen und wieder lösen. Der Torso bewegt sich selbsttätig wie ein Klappdecke auf und ab. 

Sitzbeinhöckern den aufgespannten Rücken nach vorne senken und wieder anheben. 20-mal.

Armstellung wechseln …

2

Sitzbeinhöcker nach hinten dehnen, kraftvoll zusammenziehen und in Gedanken aufstehen. 10-mal wiederholen, Sitzbeinhöcker zueinander ziehen, den Hosenboden zum Aufstehen vorbereiten. 

Die Kniekehlen bleiben über den Fersen, die Fersen schweben auf Wolken. Die ganze Kraftsammlung findet zwischen Kniekehlen und Kreuzbein statt. 

Beim 11. Mal aufstehen, und zwar so, dass die Knie über den Fersen bleiben. Sobald die Knie nach vorne über die Füße gehen, kippt das Becken, die Aufspannung geht verloren, der Beckenboden wird geschwächt. Wieder hinsetzen, aufstehen. 10 bis 20-mal.

BECKEN UND BRUSTKORB VON INNEN AUSFORMEN

In die Hocke gehen. Kniekehlen und Sitzbeinhöcker diagonal auseinander dehnen. Auf die Sitzbeinhöcker kommen und in Rückenlage senken. Füße und Knie hüftschmal auseinander, Füße in leichter V-Position auf Wolken gebettet. Die Schulterblätter so ausrichten, dass sie flach und entspannt am Rücken liegen. Die Arme entspannt neben dem Körper ausstrecken, die Hände auf Höhe der Achselhöhlen. Die Handwurzeln an der Unterlage ansaugen. Die Ellbogen so richten, dass sie ohrwärts zeigen. Jetzt die Armmuskeln heimholen zu den Achselhöhlen und die Achselhöhlen ausdrehen– bis die Oberarmkugeln butterweich auf der Unterlage liegen. Heimholen, ausdrehen, entspannen.

Auf Höhe des Bauchnabels, direkt am Übergang von der Lendenwirbelsäule zur Brustwirbelsäule, soll eine kleine, ovale Lufthöhle sein. Die langen Rückenmuskeln liegen auf, die kurzen, kleinen Dornfortsätze der untersten Brustwirbel schweben. Die Handseiten auf die Leisten legen und die Leisten Richtung Füße verlängern.

Sitzbeinhöcker Richtung Boden dehnen, die Sitzbeinhöcker zusammenziehen, um so den Levator Ani zu aktivieren. Das Steißbein und Schambein zu den Fersen verlängern, das Kreuzbein tiefer in den Körper holen du Richtung Kronenpunkt dehnen. So den Rücken in die Unterlage fließen lassen. Wiederholen, bis sich der Rücken lang und leicht anfühlt. Mit der Aufmerksamkeit zum Zwerchfell gehen. Mit der Vorstellung innen an den Rippen horizontale Acht zeichnen. Das mobilisiert die Rippengelenke am Brustbein und an der Wirbelsäule. Es werden die Knorpelanteile der Rippen von innen gedehnt. Die Muskeln und Sehnen des Zwerchfells werden gleichzeitig gedehnt und gekräftigt.

Spüren Sie in Ihren Brustkorb hinein, vertrauen Sie Ihrem Körper. Er wird Ihnen sagen, ob die Achterhälfte auf einer Seite grösser sein soll. Legen Sie die Hände unter das Brustbein, so spüren Sie die Wirkung der wandernden Wahrnehmung.

 

Jetzt Halbkreise in die Beckenhälften zeichnen. Grosse, dicke Halbkreise. Rechts nach hinten in den Beckenknochen, links nach hinten in den Beckenknochen. Die ganze Acht macht sich von selbst, beckengerecht vorne flach und hinten gross und rund. Früher oder später werden Sie wahrnehmen, dass diese Achterbewegungen sehr natürlich sind. Das Zwerchfell wird antworten und die Achterbewegung mitmachen, es geht nach rechts, wenn das Becken nach links dehnt, und umgekehrt. Das wiederum belebt und beflügelt Ihren Kreuzgang, das Meisterwerk des aufgespannten, sich bewegenden Menschen.

Links ein Querschnitt durch den Brustkorb auf Höhe des Zwerchfells. Sie können mit den Achterbewegungen die Rippen von innen gestalten. Skoliosedellen können mit der Vorstellung aufgefüllt werden. Buckel können „eingeflacht“ werden. Erforschen Sie Ihren Körper, er wird Ihnen begeistert Feedback geben. Rechts das knöcherne Becken von oben betrachtet. Das Becken geht in die Tiefe, vorne an der Bauchseite über dem Schambein ist es flach. Deshalb zeichnen Sie hier mit Ihrer Vorstellung Halbkreise, die sich selbst zu Achterbewegungen vervollständigen. Es ist wichtig, dass die Bewegung von innen kommt, direkt aus den Knochen.

ENTSPANNT ÜBER DEN FERSEN AUSRICHTEN

Füße leicht V, Großzehengrundgelenk und Fersenmitte schweben auf den Wolken, die Zehen sind entspannt. Hände auf die Leisten legen; die Psoasmuskeln einladen, in die Hände zu wachsen. Unterschenkel vom Sprunggelenk weg, Oberschenkel vom Unterschenkel und das Becken von den Oberschenkeln wegziehen. Bauch, Tailleund unteren Rücken zum Körper hin und Richtung Kronenpunkt dehnen, Brustkorb vom Beckenweg, die Arme entspannen. Die Vorderseite und Rückseite des Körperswie zwei Klettverschlüsse zusammenbringen. Zwischen denFersen einatmen, an der Krone ausatmen. 5-mal. Länge behalten.

Den Psoas rechts einladen, sich lang zu machen: bis zur rechten Kniescheibe und zur linken Achselhöhle. Umgekehrt, Psoas links bis zur linken Kniekehle und zur rechten Achselhöhle.

5- mal auf jeder Seite wiederholen.

 

Die langen schlanken Muskeln sind die Psoasmuskeln. Vivatomisch betrachtet sind das die tiefstliegenden Rückenstrecker. Sie verbinden die Oberschenkel direkt mit den Lendenwirbeln und dem Zentrum des Zwerchfells (Hiatus für die Speiseröhre). Für die Aufspannung des Knochenskeletts im Lot sind diese Psoasse grossartige Unterstützer.

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