Gut stürzen ist lernbar

Auf der letzten Treppenstufe setzte ich den rechten Fuss auf und – rutschte – rutschte

Verena Burri 

Verena Burri, Foto Zoran Bozanic

«Es geschah am 1. Juni. Ich hatte intensiv im Garten gearbeitet und regelmässig bei meiner Kollegin Bettina Kubli in Wetzikon trainiert. An diesem Samstag hatte sie herausfordernde Gleichgewichtsübungen angeleitet, und ich fühlte mich topfit. Ich war stolz!

Gleich danach bin ich nach Winterthur zur Geburtstagsfeier meines Enkels gefahren. Das Haus liegt am Hang. Der Weg hat verschiedene Treppenabschnitte. Lorbeerblüten bedeckten die Stufen, sie waren von Regen aufgeweicht und sehr glitschig.

Auf der letzten Treppenstufe setzte ich den rechten Fuss auf und – rutschte – rutschte – auffangen ging nicht – mein linkes Bein war immer noch auf der Treppe – ich rutschte quasi im Spagat einige Meter auf dem Boden.

In meinem linken Knie hatte ich starke Schmerzen. Auf meinem rechten Bein hüpfte ich mit der Unterstützung von zwei Männern 23 Treppenstufen nach oben. Mein Sohn hat mich sofort ins nahe gelegene Kantonsspital gefahren.

Diagnose: Grosser Bruch an der Innenseite vom linken Oberschenkel gleich über dem Knie, Kategorie «seltener Bruch».

Operation am Sonntagabend, vier Stunden. Rechts und links vom Oberschenkelknochen je eine Schiene und sehr viele Schrauben.

Ich wachte aus der Narkose auf und bemerkte, dass sich meine Füsse und Zehen bewegten. Ich nahm die Impulse auf, bewegte alles, was sich bewegen liess. Füsse , Muskeln und Knochen. Ferseninnenseite nach vorne, Sitzbeinhöcker nach hinten. Bein anheben und senken.

Ich war glücklich, dass ich alles wieder bewegen konnte.

Trotz der Narkose und den vielen Schmerzmitteln fühlte ich mich gut. Mir wurde in diesem Moment klar, dass ich dieses Wohlbefinden meinem Knochenbewusstsein, meiner starken Tiefenmuskulatur und meiner Beweglichkeit verdanke.

Blasenkatheter? Nein danke, ich kann mich aufsetzen, her mit dem Topf. Ganz schnell aus dem Bett steigen, Schuhe im Sitzen mit gestrecktem Bein selber an- und ausziehen und die ersten Schritte mit den Krücken laufen.

Dass diese Fitness für eine Frau in meinem Alter äusserst ungewöhnlich ist, spiegelte mir das Pflegepersonal, ich bekam sehr viele Komplimente. Alle wollten wissen, was mein Geheimnis für diesen trainierten Körper war.  Am Dienstagmorgen konnte ich das Spital wieder verlassen.

Reha? «Dafür sind Sie zu fit, brauchen Sie nicht», sagte der Arzt.

Zu Hause waren die ersten Tage nicht einfach. Für die Stabilität im Oberschenkel hatte ich eine Schiene, die ich 24 Stunden tragen musste. Mein linkes Bein durfte ich sechs Wochen lang nicht über 30 Kg belasten. 

Meine Selbständigkeit war weg, und ich war auf die liebevolle Unterstützung von meinem Mann, Kindern und Familie angewiesen. Für jeden Espresso musste ich um Hilfe bitten. Mit den Krücken konnte ich praktisch nichts transportieren. Wir haben sehr schnell einiges zu meiner Erleichterung im Haus umgebaut. Mir war es wichtig, möglichst schnell vieles wieder selber zu erledigen. Die Stützstrümpfe konnte ich dank meiner Beweglichkeit immer selber an- und ausziehen. Dafür musste die Spitex nicht kommen. 

Rückblickend ist für mich eindeutig: Nur dank des jahrelangen Trainings mit der CANTIENICA®-Methode lief mein Sturz so glimpflich ab. 

Ich war an jenem Tag mit einem Rucksack unterwegs mit 2 kg Honig und ziemlich schweren Geburtstagsgeschenken für meinen Enkel. Meine geübte und gespeicherte Bewegungsintelligenz rettete mich sozusagen «im Flug» davor, rückwärts auf die Treppenstufen zu fallen. Davon berichten viele CANTIENICA®-Trainierende: Der gut gewartete Körper schützt sich selbst in Gefahr.

Während der Zeit mit den Krücken bemerkte ich, wie wichtig ein aufgespannter Körper ist. Ohne Aufspannung geht das ganze Gewicht auf die Handgelenke und drückt die Schultern nach oben. Das tut richtig weh! Mit der perfekten Körperhaltung geht das Laufen mit den Krücken sehr gut.

Jetzt laufe ich ohne Hilfsmittel gut 45 Minuten über Wald- und Wiesenwege. Die Wanderstöcke habe ich schnell zur Seite gelegt. Auch sie behindern die ideale Bewegungsrotation der Brustwirbelsäule, diesen «Jungbrunnen», wie Benita diese Achsenweisheit nennt.

Ich laufe aufgespannt, so haben meine Gelenke Raum, so habe ich keine Schmerzen.

Die volle Beweglichkeit braucht noch Geduld, auch das will ich berichten. Infolge der verklebten Gelenkkapsel (Arthrofibrose) kann ich den Unterschenkel erst 70 Grad anwinkeln. Dafür gehe ich zweimal pro Woche zur Physiotherapie. Das konfrontiert mich immer mal wieder mit dem unterschiedlichen Körperverständnis der klassischen Physiotherape und der CANTIENICA®-Methode. CANTIENICA® Körper in Evolution macht Körper sehr feinfühlig, meiner reagiert sofort auf ungeeignete Übungen.

Zu Hause mache ich praktisch stündlich ein paar Übungen, um die hartnäckigen Verklebungen zu lösen, um beweglich zu bleiben und die Tiefenmuskulatur zu stärken.  

Ich pausierte meine CANTIENICA®-Fitness ja nur zwei Wochen, dann nahm ich wieder an Online-Lektionen teil. Meine langjährige Erfahrung als CANTIENICA®-Instruktorin erweist sich als nützlich: Für jede Übung, die ich wegen der mangelnden Beweglichkeit noch nicht richtig ausführen kann, kenne ich eine gute Variante, um meinen Körper zu trainieren. Ich besuche drei bis vier Livestream-CANTIENICA®-Lektionen pro Woche. Die machen mir richtig Spass.

Bis zur vollkommenen Genesung brauche ich noch viel Zeit und sehr viel Geduld. Ich bin froh, dass ich bei meinem Unfall so fit war und mein Körper so schnell reagiert hat. Mit dem vielen Training bleibe ich weiterhin fit und werde immer beweglicher und geschmeidiger. Das fühlt sich richtig gut an.

Lassen Sie sich anstecken! Prävention lohnt sich. In jedem Alter. Und ist Voraussetzung für gutes Altern.»

Fallen können wir alle. Wieder aufstehen ist die Kunst.

Wir aufrecht gehenden Menschen sind in Bewegung. Und wer sich bewegt, kann auch stürzen. Wer stürzt, kann sich verletzen.

Was mich zutiefst verstört: Die Folgen von Stürzen und Knochenbrüchen sind derzeit die Todesursache Nr. 1 bei Menschen um die und über 80. «Sie war doch geistig so fit und lebte so gerne.» «Er liebte seinen Garten über alles, und ausgerechnet das nasse Laub brachte ihn um.» Solche und ähnliche Kommentare der trauernden Angehörigen höre ich immer wieder.

Es betrübt mich zutiefst, wie schwer es ist, Prävention in die Köpfe und die Knochen zu bringen ist: Es ist möglich, den Körper so zu nutzen, dass er bei und nach einem Sturz nicht gleich in Todesgefahr ist. Der Körper braucht Beweglichkeit, Kraft und Reaktionsfähigkeit. 

Sinnvolles Training ist einfach zu lernen und lässt sich in jeden Alltag integrieren. Es macht auch Spass, weil ein gut trainierter Körper aufrecht ist, leicht, schmerzfrei und unternehmenslustig.

Es erstaunt mich über alle Massen, dass ich schon von 35-Jährigen, 40-Jährigen höre: «Das geht halt nicht mehr. Das kann ich nicht mehr. In meinem Alter ist das halt so.» 

Prominentes Beispiel ist Charlène von Monaco, die aktuell in einem Interview sagt, sie könne nun halt mit 46 nicht mehr schwimmen, ihr Körper mache das nicht mehr mit. Und sie spricht nicht von olympischem Schwimmen, sondern vom Schwimmen für Fitness und Ausdauer.

Verena Burri ist 69 Jahre alt, sie war viele Jahre CANTIENICA®-Instruktorin und -Ausbilderin. Sie zog sich im Sommer 2024 aus dem Studiobetrieb zurück, um sich ihren Enkelkindern und ihrem prächtigen Garten zu widmen, den Blumen, dem Gemüse, den Obstbäumen.

Im Juni stürzte Verena und brach sich den linken Oberschenkelknochen. Ich rief Verena an, um zu erfahren, wie es ihr geht. Sie berichtete mit Begeisterung über ihre Trainingserfolge, ihre Fortschritte und ihre Freude an Selbstheilung. Ich bat Verena: Schreibe das auf. Mach anderen Menschen Mut.

  • Mut, den eigenen Bewegungskörper beweglich, stark und resilient zu machen.
  • Mut, den eigenen Bewegungskörper sinnvoll zu warten.
  • Mut, auf den eigenen Bewegungskörper zu hören, gerade, wenn doch einmal etwas passiert.


Fallen können wir alle. Wieder aufstehen ist die Kunst.

Danke, Verena.
Benita Cantieni

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