Polyvagal-Theorie und CANTIENICA®-Methode

Innerlich besteht eine tiefe Verwandtschaft

Von Solveig Hoffmann

Das Thema dieses kleinen Artikels sind Aspekte der inneren Beziehung zwischen der Polyvagal Theorie und der CANTIENICA®-Methode. Beide Begriffe sind inzwischen immer mehr allgemein bekannt. Rein äußerlich haben sie nichts miteinander zu tun, innerlich besteht eine tiefe Verwandtschaft.

Beide wurden jeweils von einer Persönlichkeit begründet. Die Polyvagal Theorie von Stephen W. Porges aus den USA, die CANTIENICA®-Methode von Benita Cantieni aus der Schweiz. Von beiden gibt es reichlich Literatur. Deswegen nur ein paar stichpunktartige Hinweise.

 

Die Polyvagal-Theorie: Sicherheit und Koregulation

Unser autonomes Nervensystem (AN) regelt unsere – dem Bewusstsein nicht primär zugänglichen – organischen Prozesse. Es ist verantwortlich für die Anpassung dieser Prozesse an die jeweilige Lebenssituation und Umgebung. Es wacht über unsere Sicherheit und reagiert bei Gefahr blitzartig. Wenn das autonome Nervensystem „weiß“, dass wir in Sicherheit sind, kann es sich aufbauenden Prozessen, Heilung, bei Kindern gesundem Wachstum widmen.

Die Information von Sicherheit an unser autonomes Nervensystem hängt nicht nur von der jeweiligen Situation und den Umständen ab. Sie ist bis zu einem bestimmten Grad von uns selbst beeinflussbar und trainierbar. Und – ganz wichtig – sie ist ansteckend, übertragbar auf die Menschen, mit denen wir in Kontakt sind. Das wird Koregulation genannt. Deswegen beschäftigen sich hauptsächlich Therapeuten, Pädagogen, Coaches mit den Forschungsergebnissen der Polyvagal-Theorie.

 
Die CANTIENICA®-Methode: Aufrichtung und Bewegung

Die CANTIENICA®-Methode ist eine Bewegungs- und Haltungsmethode. Benita Cantieni bezeichnet sich als Körperforscherin und hat ihre ganz spezielle Vivatomie® entwickelt. Mit ihr lenkt sie das Bewusstsein auf körperliche Bereiche, die dann wach und aufmerksam in den Bewegungsfluss integriert werden. Es geht ihr um den aufrechten gesunden Körper, der sich beim Bewegen und Arbeiten nicht abnützt, sondern repariert und verfeinert. Wer die Methode länger und konsequent übt, wird beweglicher, aufrechter, trittsicherer. Leichtigkeit beim Gehen und Laufen, Rückbildung von degenerativen Skeletterkrankungen sind häufige „Nebenwirkungen“.

Im Folgenden gehe ich auf einige Details ein, die zeigen, wie sich die CANTIENICA®-Methode mit der Polyvagal-Theorie verwebt.

 
Bewegung als Schlüssel: Verbindung von CANTIENICA®-Methode und Polyvagal-Theorie

Stephen Porges betont oft, wie wichtig Bewegung ist. Zu Beginn des Lockdowns 2020 wurde er immer wieder gefragt, was jeder tun könne, um mit der allgemeinen Angst besser umgehen zu können. „Bewegung, Bewegung und noch mal Bewegung“, riet er. Er selbst erhöhte seine Yoga-Praxis. 

 
In Angst zieht sich der Körper zusammen

Sich aktiv dehnen, wie es im CANTIENICA®-Training praktiziert wird, löst diese unguten Verkrampfungen. Benita Cantieni stellte damals online ein einstündiges CANTIENICA®-Training kostenlos zur Verfügung. Viele CANTIENICA®- Instruktor:innen begannen mit online Gruppen-Stunden. Das Echo war einstimmig, wie sehr das über diese extreme Zeit geholfen habe. In der CANTIENICA®-Methode werden die Knochen bewusst „lang gemacht“, die Gelenke geweitet. Raum und Sicherheit im eigenen Körper, Stabilität und Weite werden erlebt. Das wirkt auf Stimme, Atmung, den soziale Begegnungsraum und andere Lebensbereiche.

Was in der Polyvagal-Theorie Koregulation heißt, ist verwandt mit dem Übertragen einer Bewegung im CANTIENICA®Coaching. Die Instruktorin, der Instruktor macht innerlich oder auch äußerlich mit, was angeleitet wird, und überträgt das auf die Übenden. Diese Weise des Anleitens und Berührens beim Unterrichten schafft eine Atmosphäre des Vertrauens, auch des Vertrauens in sich selbst. Jeder ist gut, jeder hat Herausforderungen, bei denen er unterstützt wird.

  
Aufrichtung und Muskeltonus: Die Wirkung auf Körper und Psyche

In jeder CANTIENICA®-Stunde geht es um die aufrechte Körperhaltung: Wer sich gut aufrichten kann, stahlt Sicherheit aus. Manchmal kommt die Frage, ob das nicht arrogant wirkt, so aufrecht zu sein. Das wäre schade. Es ist Menschenwürde, Präsenz, Standing. Und es ist auch so, dass das gute Aufrichten zurückwirkt auf die seelische Stimmung. Unsicherheiten treten zurück. Sich dehnen und aufrichten setzt Vertrauen voraus und erzeugt Vertrauen. Aktive Dehnung ist ein wichtiges Element in der CANTIENICA®-Methode.

Muskeln können sich anspannen und dabei verkürzen, sie können sich entspannen und weich werden. Und sie können ein Drittes: sie können sich tonisieren. Jeder Musiker versteht den großen Unterschied. Wenn die Trommelmembran überspannt ist, klingt die Trommel nicht. Wenn sie schlapp ist, noch weniger. Die genau richtige Aufspannung macht sie zum Musikinstrument. Unsere Muskulatur auch. Hart und verkürzt tut sie auf Dauer nicht gut. Schlapp macht schlapp. Ich höre innerlich immer wieder Benita Cantieni sagen, „wenn sich jemand fallen lässt: das ist doch keine Entspannung, das ist Kollaps.“

Ein Zitat aus der Polyvagal-Theorie von Stanley Rosenberg, Autor des Buches ‚Der Selbstheilungsnerv‘:

„Unser Muskeltonus kann dauerhaft kräftig sein, ohne dass wir kollabieren oder übermäßig angespannt sind.“ (Rosenberg S. 87)

 
CANTIENICA®-Faceforming und die Polyvagal-Theorie

Ein wichtiger Punkt ist das CANTIENICA®-Faceforming. Hier gibt es viele Anleitungen, die mimische Muskulatur zu aktivieren. Die Mimik ist abhängig von lebendig funktionierenden Gesichtsmuskeln, von einer zentrierten Kopfhaltung, und natürlich von der Information von Sicherheit des AN. Wenn wir älter werden, fallen manche Bereiche des Gesichtes in die Schwere, andere sind in Daueranspannung. Das wirkt wiederum zurück auf das ganze System, auch auf das AN. Immer wieder sagt jemand, er finde sich im Spiegel fremd: „Das bin ich doch gar nicht.“ Oder: „Ich komme nicht mehr rein in meine Mimik.“ Wenn die Mimik sich verzerrt oder entfremdet hat aus seelischen Gründen, ergreifen die Übungen aus CANTIENICA®-Faceforming harmonisierend dieses feine Spiel von Hautmuskeln auf natürliche Weise.

Wenn aus kosmetischen Gründen manipulativ eingegriffen wird in dieses wichtige Gebiet, sei es mit Spritzen oder Operationen, entfremden wir es der eigenen Authentizität.

In der Polyvagal Theorie wird von der Vagusgruppe gesprochen, auch soziales Engagementsystem genannt. Ein besonders wichtiger Punkt für die Koregulation und nonverbale Kommunikation. Zur Vagus Gruppe gehören genau die Faceforming-Nerven: der vordere Ast des Nervus Vagus (X), der Nervus Trigeminus (V), der Nervus Facialis (VII), der Nervus Glossopharyngeus (IX), und der Nervus Accessorius (XI).

Hier noch ein Zitat aus „Der Selbstheilungsnerv“ von St. Rosenberg: „Gemeinsam mit den anderen 4 dazugehörigen Nerven fördert er (der Ast des N. Vagus) Ruhe und Erholung, und er stellt sicher, dass die physiologischen Voraussetzungen für eine optimale körperliche und seelische Gesundheit, Freundschaft, gemeinsames Arbeiten, gegenseitige Unterstützung (…) gegeben sind. Im Zustand von Kontakt und Kommunikation können wir kreativ, positiv, produktiv und glücklich sein.“ Aus Rosenberg S. 87 2.3.

 
Persönliche Erfahrung mit beiden Methoden

Das ist nur ein kleiner Strauß aus Gemeinsamkeiten der beiden Methoden.

Ich kenne Stephen Porges nicht persönlich, doch aus online Seminaren und Online- Fortbildungen. Es hat mir immer gutgetan, ihn zu sehen und zu hören.

Benita Cantieni kenne ich seit nun 20 Jahren. Ich durfte sehr viel von ihr lernen, arbeite schwerpunktmäßig mit ihrer Methode. Wir hatten schöne Gespräche und Gedankenaustausch. Ich habe sie als Mensch sehr liebgewonnen und freue mich, wenn ich ihr, wie auch immer, begegnen darf. Ich weiß auch, dass ich ihrer Methode viel verdanke. Mit meinen 70 Jahren fühle ich mich beweglicher und aufrechter als mit 50.

Solveig Hoffmann, Ärztin, Teneriffa
Von Benita Cantieni zum «Masterteacher auf Lebenszeit» ernannt
koerperstruktur.com

Quellenangaben
  • Faceforming mit Tigerfeeling für sie und ihn: Cantieni, Benita, Verlag Südwest
  • Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit, Stephen W. Porges, G.P.Probst Verlag, Lichtenau/Westfalen, 2019, ISBN:973-3-944476-19-3
  • Der Selbstheilungs-Nerv, Stanley Rosenberg, VAK Verlag, 2018  ISBN: 978-3-86731-211-0

Solveig Hoffmann


Geboren 1955 in Deutschland, Oberpfalz. Aufgewachsen in Bamberg und Umgebung, Medizinstudium in Marburg, seit 2002 auf den kanarischen Inseln. Zuerst Lanazrote, seit 2007 Teneriffa.

1977 – 1983 Studium Philippsuniversität Marburg.

Klinische Tätigkeit im süddeutschen Raum in den Fächern Chirurgie, Innere Medizin, Homöopathie, Frauenheilkunde.

Ambulante Tätigkeit in Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde.

Weiterbildung zur Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Tätigkeit als Oberärztin unter Chefarzt Dr. med. Hemmerich in Germersheim. Eröffnung einer Kassenarztpraxis in Germersheim.

Auf Lanzarote selbständig ambluante Tätigkeit im centro de terapia anthroposophica. 

Seit 2007 auf Teneriffa im centro de salutogenesis Eridanos.

Anthroposophische Medizin (Mitglied GAÄD – Gesellschaft anthroposophische Ärzte)

Ehrenmaster CANTIENICA®-Methode  
koerperstruktur.com/shoffmann/

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